Ein kleiner Rundgang
Wenn man das Grundstück der Jüdischen Gemeinde vom Hasenberg aus über eines der beiden Eingangstore betritt, so findet man zwei Gebäude, die durch einen zentralen Innenhof verbunden sind. Auf der linken Seite befindet sich die Neue Synagoge und auf der rechten Seite das Gemeindezentrum. Der Innenhof ist durch eine Einfriedung zur St. Petersburger Straße hin abgeschlossen, öffnet sich aber zur Altstadt hin und bietet einen guten Einblick.
Der Innenhof
Im Innenhof findet man einerseits einen kleinen aus 16 Bäumen bestehenden Platanenhain und andererseits den durch eine Metallschiene nachgezeichneten Grundriss der Semperschen Synagoge, die von 1840 bis 1938 an dieser Stelle stand. Heute dient dieser Grundriss, der nur zum Teil sichtbar ist, als Platz der Erinnerung an die in der Reichspogromnacht von 1938 zerstörte Synagoge. Mit wenigen Schriftzügen im Mauerwerk wird an jene Dresdner Juden erinnert, die zwischen 1933 und 1945 verfolgt, entrechtet, deportiert und ermordet worden sind.
Die Neue Synagoge
Die Neue Synagoge ist ein 24 Meter hoher Kubus, der sich vom Grundriss bis zum Dach in 35 Gesteinsschichten allmählich nach Osten verdreht, womit auch die im Innenraum vorgeschriebene Ausrichtung der Thoraschrainwand nach Jerusalem gewährleistet wird. Direkt über dem Eingangsportal steht der in Hebräisch verfasste Satz „Mein Haus sei ein Haus der Andacht allen Völkern“ (Jesaja 56 der Hebräischen Bibel). Darunter findet man einen vergoldeten Davidstern, dem einzigen wertvollen Gegenstand, der von der in der Reichspogromnacht zerstörten Semperschen Synagoge erhalten geblieben ist.
Beim Betreten der Neuen Synagoge hat man das Gefühl, dass die Zeit stehen bleibt und Ruhe eintritt. Das Licht der spartanisch von der Decke herabhängenden Stahlseillampen sowie das durch die Dachverglasung und über das Eingangsportal herein dringende Tageslicht füllen den Innenraum mit Transparenz und Leichtigkeit aus. Was neben der modernen und minimalistischen Ausstattung aber sofort ins Auge fällt, das ist das goldglänzende „gestrickt“ wirkende Metallgeflecht, das den gesamten rituellen Raum – einem komplexen Großmöbel aus dunkel geöltem Eichenholz, überspannt. Gleich einem Zelt soll dieses metalltextile Gewebe in seiner Form an das Stiftszelt, den ersten „transportablen“ Tempel der Israeliten, erinnern, das diese während der 40 Jahre währenden Wanderung durch die Sinaiwüste mit sich führten. Gleichzeitig symbolisiert es die unfreiwillige Nichtsesshaftigkeit des Judentums, die erst mit der Gründung des Staates Israel ihr Ende gefunden hat.
Über einen Durchgang in der hölzernen Westwand gelangt man in den eigentlichen rituellen Raum. Darin befinden sich weitere Möbel, wie die Sitzbänke und das mittig angeordnete Lesepult (Bima). Die gegenüber liegende hölzerne Ostwand beherbergt den mit Intarsien in Form von Davidsternen geschmückten Thoraschrain (Aaron Hakodesch), der mit dem gesamten rituellen Raum nach Osten ausgerichtet ist. Im Thoraschrain befindet sich das Allerheiligste: die Thorarollen. In den Innentüren des Thoraschreins wurden mit Blattgold die "Löwen von Juda" eingearbeitet, damit sie die Thorarollen der Gemeinde symbolisch bewachen. Direkt über dem Thoraschrain befinden sich die beiden Gesetzestafeln mit den in Hebräisch verfassten 10 Geboten und das Ewige Licht (Ner Tamid), das die immerwährende Anwesenheit Gottes in diesem Haus symbolisieren soll.
Außerdem verfügt der Raum über eine Empore mit drei Bankreihen über der Westwand, eine moderne elektronische Orgel in der Ostwand, ein Lesepult für die Predigt sowie vier Kandelaber: Links und rechts vor dem Thoraschrain befinden sich der siebenarmige Leuchter (Menora) bzw. der achtarmiger Leuchter (Chanukkia). Auf dem Lesepult, das sich mittig im rituellen Raum befindet, stehen zwei weitere Leuchter, die für das Licht am Schabbat, dem höchsten jüdischen Feiertag, stehen.
Das Gemeindezentrum
Während die Neue Synagoge als zentraler Ort des Gottesdienstes ein introvertiertes, fast fensterloses Gebäude ist, öffnet sich das Gemeindezentrum mit seiner transparenten Glasfassade und seinen 39 Fenstern an den Seitenwänden und auf dem Dach als ein weithin offenes und tageslichtdurchflutetes Haus. Einem „Guckkasten“ vergleichbar gewährt es Einblicke in sein Innenleben und ist als Ort der Begegnung mit dem Judentum konzipiert.
Seit Juni 2002 verwöhnt das Café Schoschana, das sich im Erdgeschoss des Gemeindezentrums befindet, seine Gäste mit Köstlichkeiten aus der jüdischen Küche. Mit seinem reichhaltigen Angebot an jüdischem Gebäck, erlesenen Weinen aus Israel und koscherem Bier ist das Café Schoschana einmalig in Dresden und Umgebung.
Vom Foyer aus gelangt man zudem in den großen Gemeindesaal, der sowohl für gemeindeinterne als auch für vielfältige öffentliche kulturelle Veranstaltungen genutzt wird. Neben dem Gemeindesaal befinden sich zwei koschere Küchen, in denen die Speisenvorschriften (Kaschrut) des Judentums beachtet werden.
In den beiden oberen Etagen, die man sowohl über eine Treppe als auch einen Fahrstuhl erreicht, befinden sich Verwaltungsräume, die Bibliothek, das Archiv, Unterrichtsräume und eine kleine Tagessynagoge. Von Außen nur bedingt wahrnehmbar befindet sich in der obersten Etage auch eine Dachterrasse, die genauso groß wie der Gemeindesaal ist, über Wände und Fenster verfügt und mit Holz verkleidet ist, aber eben kein Dach besitzt. Hier begeht die Jüdische Gemeinde insbesondere jene Feiertage, die man üblicherweise unter freiem Himmel begeht, wie beispielsweise das Laubhüttenfest (Sukkot) im Herbst.
Die Jüdische Gemeinde zu Dresden beging im November 2011 das 10jährige Jubiläum der Weihe der Neue Synagoge mit einer Festwoche. Der gesamte Gebäudekomplex ist in den vergangenen zehn Jahren nicht nur Zentrum des religiösen und sozialen Lebens für die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde geworden, sondern auch architektonischer und kultureller Anziehungspunkt für eine breite Öffentlichkeit, und zwar weit über die Stadtgrenzen Dresdens hinaus.
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